Rethink Recycling: Themenabend in der KI-Ideenwerkstatt
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Ist das Rohstoff oder kann das weg? Die Kreislaufgesellschaft ist dieses Jahr unser Schwerpunktthema. Auf unserem Themenabend haben wir konkrete Anwendungsfälle für den Einsatz von KI im Recycling beleuchtet.
Nach unserem Auftakt-Themenabend im Februar 2025 sind wir nun einen Schritt weiter gegangen und haben uns mit diesen Fragen beschäftigt: Wie gut arbeiten KI-Systeme in welchen Bereichen? Wo brauchen wir mehr oder bessere Daten? Was können Bürger*innen tun, um eine Kreislaufwirtschaft wirksam werden zu lassen – mit oder ohne Künstlicher Intelligenz (KI)? Und für uns als Vernetzerin natürlich zentral: Wer könnte oder sollte hier zusammenarbeiten?
Nachdem Katharina Metz vom Team der KI-Ideenwerkstatt noch einmal die unterschiedlichen R-Strategien im zirkulären Produktlebenszyklus ins Gedächtnis gerufen hatte – dazu gehören unter anderem Refuse, Rethink, Reduce, Reuse und Repair – stellte Natalie Basedow von der Hochschule Aalen das KI-Leuchtturmprojekt „RecycleBot“ vor. Dessen Ziel ist es, die Recyclingquote von Kunststoffabfällen zu erhöhen, indem der Sortiervorgang mittels Künstlicher Intelligenz optimiert wird. Damit kann die Recyclingquote von kunststoffbasierten Verpackungs- und Gewerbeabfällen aus dem Dualen System erhöht werden. Allerdings bereiten Prozesse und Daten derzeit noch Herausforderungen: So erkennt die Maschine alle bekannten Objekte sehr akkurat, doch sind die Ergebnisse stark von den Lichtverhältnissen und der Komposition der Objekte abhängig. Liegen beispielsweise mehrere Objekte übereinander oder kleben bei Regen zusammen, werden sie entweder falsch oder gar nicht erkannt.
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„Nicht die Systeme müssen verantwortungsvoll sein, sondern wir“
In der anschließenden Diskussion hob Natalie Basedow hervor, dass der Mensch auch hier eine zentrale Rolle einnimmt. Es gehe eben gerade nicht um die Wegautomatisierung der Fachkräfte, sondern um eine technische Unterstützung bei der Arbeit. Menschen können einen viel größeren Aufgabenbereich einnehmen als die hochspezialisierten Maschinen, für die selbst nach erfolgreicher Bilderkennung das Greifen von Objekten oft eine Herausforderung ist. Ein neues Zusammenspiel ist nötig und der „state of the art ist noch nicht gut genug, um Systeme zu bauen, die wir eigentlich bauen wollen“, so Natalie Basedow. Die momentane Technik deutet nur an, wohin die Reise gehen kann. Aber auch für die Zukunftsvision einer hybriden KI als kollaboratives, adaptives, verantwortungsvolles und erklärbares System gelte: „Nicht die Systeme müssen verantwortungsvoll sein, sondern wir“, sagt Natalie Basedow.
BSR-Innovationsnetzwerk präsentiert neueste Technologien
Frank Botta, Alexander Balas und Daniel Herrmann vertraten gemeinsam das Innovationsnetzwerk der Berliner Stadtreinigung (BSR), wo ganz praktisch mit neuen Technologien experimentiert wird, seit Kurzem auch mit KI. Dabei wird im Kleinen angefangen und von den Bedarfen der Nutzer*innen ausgegangen. Es war naheliegend, die große Flotte von über 2.000 Fahrzeugen als Datensammlerin zu nutzen. Mithilfe einer handelsüblichen Kamera, die am hinteren Bereich der Fahrzeuge montiert wird, können so mithilfe von Objekt-Erkennung beispielsweise Ort und bestenfalls auch die Art von illegalen Ablagerungen ermittelt werden. Beim Einsatz von KI sind dabei auch Einsparpotenziale eine der treibenden Kräfte, um Gebührenstabilität trotz höherem Müllaufkommen und steigender Kosten zu ermöglichen.
Als plakativstes Beispiel für die Problematik der sogenannten Fehlwürfe dienen dabei Kleinstbatterien z.B. in elektronischen Einwegzigarettensystemen, die in Brand geraten und ganze Recyclinganlagen lahmlegen können. Eine Früherkennung durch KI könnte dies vermeiden. Neben der Erkennung auf den Wertstoffhöfen stellten unsere Vortragenden im Rahmen eines Beta-Tests auch eine zusätzliche Funktion ihrer App „TrennTalent“ vor, die mithilfe des Abfall-ABCs der BSR anhand eines Handy-Bildes erkennen kann, wo das Objekt am besten entsorgt werden kann.
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Praktische Ideen und ein interaktiver Part
Als mögliche Weiterentwicklung kam im Publikum die Idee auf, den Wiederverkaufswert anhand von Daten aus Kleinanzeigen-Portalen zu bestimmen. In der Diskussion wurde betont, echtes Recycling anstelle von Down-Cycling voranzutreiben. Auch wurde die Einbindung von spielerischen Elementen (Gamification) als Produkterweiterung vorgeschlagen. Danach wurde es interaktiv: Die Gäste konnten mithilfe der TrennTalent-App die (gesäuberten) Abfälle eines Müllsacks klassifizieren.
Am Ende stellte Matthias Schwarzer KI-Dienste vor, die er in seiner Firma RecylingMonitor gemeinsam mit 1648.ai entwickelt hat und KMU-Entsorgungsbetrieben anbietet. Sein KI-Bot basiert auf ChatGPT, das mithilfe von Vektordatenbanken und unternehmensinternen Daten der Kund*innen automatisch Angebote erstellen kann. Dabei werden Prozessabläufe standardisiert bzw. erstmalig digitalisiert. Hier sieht Matthias Schwarzer zugleich die Crux des Einsatzes von KI: Nur, wenn der komplette Prozess digitalisiert ist, kann KI sinnvoll eingesetzt werden. Ansonsten sei es eigentlich nur Marketing. Im Raum gab es viel zustimmendes Nicken nach dieser provokanten Feststellung. Diskutiert wurde auch, dass besonders generative KI-Systeme wie Chatbots ethische und rechtliche Fragen aufwerfen, vor allem bezüglich der Haftung.
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